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7. März 2018

Philip Keil: Teamwork – Ihr Erfolg: Sicher führen, klar entscheiden

Herr Keil, „Crash oder Punktlandung? Das Team macht den Unterschied“ lautet Ihr Vortrag beim 12. Oberbayerischen Wissensforum in Rosenheim. Die Antwort liefern Sie im Titel ja gleich mit. Was zeichnet ein gutes Team aus?

Philip Keil: Teamwork ist ein sehr spannendesund vielschichtiges Thema. Und ein unterschätzter Erfolgsfaktor –am Boden wie in der Luft. Am Beispiel einer Flugzeugbesatzung wird das anschaulich: jedes Crewmitglied ist einzigartig. Alter, Erfahrung, Charaktereigenschaften und Einsatzgebiet. Aber sie alle sitzen im selben Boot, haben dasselbe Ziel und müssen sich trotz Ihrer unterschiedlichen Voraussetzungen aufeinander verlassen können. Woran es Teams am Boden häufig mangelt, sind Eigenverantwortlichkeit und Vertrauen. Das sind Soft Skills, die sich nicht einfach anknipsen lassen, sondern sich nur entwickeln können, wenn sich jeder Einzelne im Team da-für öffnet. Auch die Führung ist hier gefragt: wer von seinen Mitarbeitern Eigeninitiative und Zusammenarbeit fordert, muss Freiraum für neue Ideen und für Fehler fördern.

Als Verkehrspilot sind Sie Experte in Sachen Teamführung. Wie steuern Sie Ihr Team durch Turbulenzen?

Die Kunst ist ja, als Gemeinschaft auf solche Situationen vorbereitet zu sein. Wenn ich mir also die Frage nach guter Führung erst stelle, wenn bereits alle Warnlampen blinken, ist es meist zu spät. „Ahead of the airplane“ nennen wir diesen Ansatz, also mental immer einen Schritt voraus zu sein. Ein Leader stellt sich in ruhigen Zeiten die Frage: Welche Gefahren lauern und wie wür-den wir als Team darauf reagieren?Was wären die konkreten Schritte? Als Piloten trainieren wir beispielsweise regelmäßig im Flugsimulator solche Horrorszenarien. Aber auch auf jedem Routineflug sprechen wir vor dem Start den Fall durch, wenn ein Triebwerk versagt. Auch im Unternehmens-Cock-pit müssen alle im Team das gleiche mentale Bild vor Augen haben, noch bevor die Triebwerke gestartet werden. Das ist Aufgabe des Kapitäns.

Welche Strategien lassen sich aus dem Cockpit auf eine Crew am Boden übertragen?

Dieses Sinnbild eines Krisensimulators hat seine Berechtigung auch für Unternehmen. Regelmäßig sich selbstkritisch mit den Schwachstellen auseinander-setzen und sich Strategien überlegen, bevor der Crash droht. IT-Firmen etwa beschäftigen Hacker, um Angriffspunkte im eigenen System zu identifizieren und Sicherheitslücken zu stopfen. Aus meiner Arbeit mit Unternehmen weiß ich, dass Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Industrie 4.0 oder künstliche Intelligenz liebgewonnene Routinen und eingespielte Prozesse verdrängen und für Unsicherheit sorgen. Das gleicht ei-nem Triebwerksausfall. Plötzlich kommt alles anders. Auch in der Wirtschaft müssen Teams jenseits starrer Hierarchien Wege finden, schnell und koordiniert auf Turbulenzen zu reagieren. Dazu gehört ausdrücklich auch unsere Einstellung zu Fehlern. Unternehmen und Flugzeuge stürzen nicht ab, weil der Einzelne einen Fehler macht, sondern weil niemand im Team den Fehler sieht – oder sehen will! Daraus entsteht eine Fehlerkette, wie bei Dominosteinen, ein Ereignis löst das nächste aus. Ein gutes Team ist wie ein engmaschiges Netz, das einen Fehler auffängt und alle Mitglieder an den Lehren daraus teilhaben lässt. Wir Piloten lernen ein Leben lang von den Fehlern unserer Kollegen, etwa in speziell dafür vor-gesehenen internen Foren. Wenn der Fehler nicht vorsätzlich war, wird er nicht sanktioniert.

Gab es in Ihrer beruflichen Laufbahn kritische Situationen, die Sie nur dank eines perfekt eingespielten Teams meistern konnten?

Im Februar 2009 wäre ich tatsächlich beinahe abgestürzt. Wir waren mit 189 Passagieren an Bord in Ägypten gestartet, als uns eine schwere Windscherung erfasste. Ein Strömungsabriss in nied-riger Höhe ist mit das Gefährlichste, was Dir als Pilot passieren kann. Durch ein eintrainiertes Manöver konnte ich die Maschine in letzter Sekunde noch unter Kontrolle bringen und den freien Fall stoppen. Auch wenn diese Situation eine Einzelhandlung war, fühlte ich mich stark, weil ich Teil eines starken Teams war. Ein anderes Mal erlitt eine Passagierin auf einem Nachtflug von Mexiko heimwärts einen Herzinfarkt. Wir mussten sofort die Notlandung einleiten, aus 13 km Höhe, in einem Gebiet, das wir kaum kannten und in völliger Dunkelheit. Ohne ein perfektes Zusammenspiel zweier Piloten, von denen sich einer auf die Steuerung des Flugzeugs konzentriert und der andere ihn dabei unterstützt, mit dem Tower funkt, den Anflug vorbereitet usw. wäre so eine Notlandung ein Himmelfahrtskommando. Aber so waren wir binnen 10 Minuten sicher gelandet und die Passagierin hat überlebt.

In Ihren Seminaren trainieren Sie auch Manager am Flugsimulator. Welche Lernprozesse werden dadurch in Gang gesetzt?

Meine Vorträge und Seminare leben von einem spannenden Perspektivenwechsel: Business Themen wie Change-Management, Kommunikation und Teamwork mal durch die Brille des Piloten betrachtet. Neuen Dingen öffnen wir uns eher, wenn wir unser gewohntes Umfeld mal für einen Moment verlassen. Mir ist es wichtig, dass die Führungskräfte authentisch in die Welt des Piloten eintauchen können, um die gelernten Tools direkt live an-zuwenden. Dieser Mix aus Adrenalin und Aha-Erlebnis sorgt dafür, dass die Impulse hängen bleiben und in den Arbeitsalltag integriert werden. Sich gegenseitig zu unterstützen, auf den Punkt zu kommunizieren und den Blick fürs Wesentliche zu schärfen – das lernt die Crew.

Wie lassen sich tägliche Routinen mit kreativen Problemlösungen verbinden?

Indem man seine Routinen hinterfragt und schrittweise den neuen Heraus-forderungen anpasst. Routinen sind ein sehr wichtiger Bestandteil unseres täglichen Lebens und keineswegs ne-gativ oder ein Zeichen für Stillstand. Routinen schonen unsere Kapazitäten und optimieren Prozesse. Auch im Cockpit. Wichtig ist nur, dabei nicht mental „auf Autopilot“ zu schalten. Mehr denn je zählt es heute, flexibel zu reagieren und Neues auszupro-bieren. Unternehmen können sich nur verändern, wenn die Menschen in diesen Unternehmen bereit sind, sich zu verändern. Da kommt wieder das Team ins Spiel. Viele Blickwinkel, eine zweite Meinung auf Augenhöhe, all das kann dem Einzelnen dabei helfen, neue Ansätze auf neue Fragen zu finden.

Was raten Sie Führungskräften zu einer Verbesserung der Kommunikation im Unternehmen?

Die Aufgabe der Führung besteht ganz klar darin, ein Umfeld für die Mitarbeiter zu schaffen, sich besser einzubringen. Das gelingt nur mit Ver-trauen. Einer guten Führungskraft geht es nicht darum, dass die Mitarbeiter ihr vertrauen. Ihr gelingt es vielmehr, dass die Mitarbeiter sich selbst vertrauen. Im Cockpit schafft man dieses Klima, indem auch jungen, unerfahrenen Pi-loten vom ersten Tag an als sog. „Pilot Flying“ die Steuerung des Flugzeugs anvertraut wird. Der Kapitän unterstützt bei Bedarf, lässt aber auch kleinere Feh-ler bewusst zu. So sammelt der junge Pilot wertvolle Erfahrungen, entwickelt Selbstvertrauen und erhält von seinem „Chef“ das motivierende Signal: Ich vertraue Dir und Fehler gehören dazu!Dieser Wandel offenbart sich dann auch in der Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren.

In Ihrem Buch „Ready for Take off“ zeigen Sie einen Weg zur Ausschöpfung des eigenen Potenzials. Verraten Sie uns einige Strategien der Profi-Piloten?

Gerne! FORDEC ist eine Entscheidungs-Checkliste der NASA. Viele tun sich im Alltag schwer, Entscheidungen zu treffen und grübeln über Problemen. Im Cockpit müssen wir schnell und gleichzeitig überlegt handeln. Dafür fragen wir uns zunächst: Was sind die Fakten (Facts)? Blicken Sie unvoreingenommen, wie ein Außenstehender, auf Ihre Situation. Dann suchen wir Optionen (Options): welche Lösungen bieten sich an? Notieren Sie wertungs-frei auch die unkonventionellen Wege. Dann wägen wir das Für und Wider jeder dieser Optionen ab (Risks and Benefits). Spielen Sie jede der Optionen im Geiste durch: Wenn ich mich dafür entscheiden würde, was wären die Risiken und Nachteile? Was wären dagegen die Chancen und Möglichkeiten, die sich ergäben? Verschaffen Sie sich einen Überblick und treffen Sie dann Ihre Entscheidung (Decision). Wichtig ist jetzt, diese nicht gleich wieder in Frage zu stellen, sondern ins Handeln zu kommen: Wie setze ich diese Entscheidung nun in die Tat um (Execution)? Definieren Sie klar die konkreten Schritte und kontrollieren (Check) Sie ständig: bin ich noch auf Kurs? Entwickelt sich alles wie geplant, oder muss ich nachbessern? Oder haben sich gar die Fakten verändert, sodass ich FORDEC neu machen muss?Machen Sie diese Checkliste unbedingt schriftlich. Das verschafft Ihnen einen Überblick und Sie erfassen auch optisch Ihre Situation. Statt zu grübeln verleiht diese Checkliste Ihren Gedanken eine klare Struktur. Und am Ende steht nicht nur eine Entscheidung, sondern ihre Umsetzung.

Sie beschäftigen sich auch mit dem Thema Stressresistenz. Welche Tipps können Sie dazu den Besuchern des Oberbayerischen Wissensforum geben?

Stress entsteht entweder, wenn wir uns überfordern, oder wenn die Situation uns überfordert. In beiden Fällen ist es ein Gefühl der Ohnmacht. Der erste und schwierigste Schritt ist tatsäch-lich aus der Opferrolle heraus in die Selbstbestimmtheit. Als Pilot kann ich die äußeren Einflüsse wie schlechtes Wetter oder einen technischen Defekt nicht beeinflussen. Aber das Steuer habe ich trotzdem in der Hand. Es ist also allein meine Entscheidung, wie ich auf diese Umstände reagiere. Ich bin frei darin, mir Prioritäten zu setzen und meine Ressourcen auf mein Ziel zu len-ken. Wir müssen uns bewusstmachen, dass wir selbst die Piloten in unserem Leben sind. Dann stellen wir meist fest, dass nur wenige Dinge wirklich wichtig sind und dass wir selbst es sind, die uns den Druck machen.

Herr Keil,
vielen Dank für das Gespräch!

[Interview: Maria Stuffer-Chunphetch]

 

Erleben Sie Philip Keil beim 11. Kölner Wissensforum zusammen mit Christoph Keese, Ranga Yogeshwar und vielen weiteren Top-Referenten live!

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