Gute Redner haben Routine, alles läuft wie am Schnürchen und ich merke Ihnen nicht an, dass Sie sich konzentrieren. Der Schauspieler Martin Benrath hat mal auf die Frage, warum er nicht ins Theater gehe, gesagt: Ich sehe doch nicht anderen Leuten beim arbeiten zu.
Wir wissen alle, dass eine gute Rede harte, womöglich wochen- und monatelange Arbeit ist. Aber das will der Zuschauer nicht wissen, so komisch das klingt. Wenn ich jemand zusehe, der hoch konzentriert bei der Arbeit ist und sich dabei wahnsinnig anstrengt, schmälert das mein Vergnügen. Für mich als Zuschauer muss es so aussehen, als ob es alles leicht und mühelos gelingt. Der Redner darf schwitzen, er darf alles um sich herum vergessen, er darf hüpfen und springen und rennen, wenn das seinem Naturell und dem Thema entspricht. Es darf auch anstrengend sein, aber es darf nie anstrengend aussehen.
Das gilt auch fürs Lampenfieber. Nervosität auf der Bühne ist grundsätzlich etwas ganz Normales. Und es stört mich nur, wenn es auch den Redner stört. Wenn der rot wird, und das Stottern anfängt, kann ich mich leider überhaupt nicht mehr amüsieren. Ich habe Mitleid mit dem armen Kerl da oben, und ich höre nicht mehr zu.
Geben Sie sich keine Mühe! Strengen Sie sich nicht an! (Das mögen wir auch im Privatleben nicht). Und wenn Sie sich anstrengen müssen, dann üben Sie so lange, bis ich Ihnen das nicht mehr ansehe. Dabei ist es egal, ob Sie schwierige Zeichnungen auf dem Flipchart machen, komplizierte Zahlen memorieren oder keine Ahnung haben, wie Ihre Powerpoinpräsentation jetzt genau animiert war. Wenn ich mit Ihnen mitzittere, dass Sie das alles jetzt hinbekommen, ist das Vergnügen sofort weg.
Das gilt besonders, wenn Sie irgendwelche Effekte oder Tricks verwenden. Ein guter Zaubertrick ist zweifellos eine tolle Methode Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber das muss leicht und locker und selbstverständlich daherkommen. Wenn Sie schon Minuten vorher die Sätze ziehen, weil Sie hinter ihrem Rücken gerade alles für Ihren Trick vorbereiten, dann können Sie das Stöhnen im Publikum fast schon hören.
Noch ein Problem haben wir, wenn wir uns sehr auf eine Sache konzentrieren und damit Muskeln anspannen, die wir sonst beim Reden nicht anspannen. Dadurch werden Teile Ihres Denkzentrums blockiert. Versuchen Sie mal, sich mit jemandem zu unterhalten und ganz fest dabei die Fäuste zu ballen oder sich an einer Reckstange festzuhalten. Das dürfte Ihnen sehr schwer fallen. Deswegen sind Koffer und Hanteln auf der Bühne für die Proben zeitweise richtig schwer. Wenn das Theaterstück dann gespielt wird, ist der Koffer leer und die Gewichte sind aus Stryropor, und damit federleicht. Wenn alles richtig schwer wäre, würde der Schauspieler den Text komplett vergessen, sobald er die Muskeln anspannt.
Viele Speaker genießen das Bad in der Menge schon vor der Veranstaltung. Wenn Sie mit Ihrer Speaker Karriere anfangen, rate ich Ihnen eher dazu, sich kurz vorher zurückzuziehen. Denken Sie an was Schönes, vielleicht bewegen Sie sich, vielleicht meditieren Sie. Sorgen Sie dafür, dass Sie einigermaßen entspannt sind. Jetzt ist es zu spät, nochmal den Vortrag durchzugehen und die Pointen zu zählen. Die letzte halbe Stunde vor der Vortrag gehört der mentalen Vorbereitung. Sie werden gleich eine Höchstleistung vollbringen, die am besten mit einem Flug in einem Düsenflugzeug mit Überschallgeschwindigkeit zu vergleichen ist. Dazu brauchen Sie alle Ihre Aufmerksamkeit und Konzentration. Je länger Sie diesen Beruf ausüben, desto besser wissen Sie, was alles passieren kann. Profis wissen, dass Sie jetzt ihre Konzentration zusammenhalten müssen und nur noch eines im Kopf haben: eine positive und entspannte Grundstimmung. Die Technik wird Sie gleich dann noch früh genug nervös machen.
Jemanden gut zu unterhalten ist eine Frage der Vorbereitung.
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