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Prof. Dr. Sven Voelpel

17. August 2017

Alter ist Kopfsache – Prof. Dr. Sven Voelpel im Interview

Prof. Dr. Sven Voelpel (Autor von «Entscheide selbst, wie alt du bist») im Interview.

© Jacobs University

Prof. Dr. Sven Voelpel, Jahrgang 1973, ist Professor für Betriebswirtschaft an der Jacobs University Bremen sowie Gründungspräsident des WISE Demografie Netzwerks. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen demographischer Wandel, Diversity und Leadership. Als führender Altersforscher berät er Regierungen und Organisationen wie die Allianz, die Bundesagentur für Arbeit, Daimler und Deutsche Bahn. In seinem neuen Buch «Entscheide selbst, wie alt du bist» erzählt er, was die Forschung über das Jungbleiben weiß und wie wir beeinflussen können, ob wir alt sind oder nur älter werden.

Es ist ein offenes Geheimnis: Der demographische Wandel ist längst vollzogen, die Deutschen leben immer länger, und gleichzeitig werden weniger Kinder geboren. 2050 wird wahrscheinlich jede/-r Dritte älter als 65 Jahre sein. Vor welche Aufgaben stellt das die Gesellschaft?
Sven Voelpel: Als ich im Jahr 2004 als Professor für Betriebswirtschaft bei der Jacobs University in Bremen anfing, waren mit mir 44,5 Millionen Menschen in Deutschland im arbeitsfähigen Alter. 2040, wenn ich mit 67 Jahren in Rente gehen soll, werden es nur noch 30 Millionen sein. 14,5 Millionen potenzielle Arbeitnehmer weniger! Das stellt uns nicht nur vor finanzielle, sondern auch vor gesellschaftliche Herausforderungen. Wie können wir die Produktivität, das Erfahrungswissen älterer Menschen für die Gesellschaft nutzbar machen? Hier muss ein Umdenken stattfinden, denn immer noch prägt die Gleichung «Alter = Defizit» die öffentliche Diskussion. Und das ist fatal: Negative Altersbilder in unseren Köpfen, etwa von Demenz, Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit, bestimmen unser Handeln entscheidend mit. Studien haben gezeigt: Bei älteren Menschen, die mit negativen Begriffen zum Alter konfrontiert wurden, halbierte sich die Anzahl innovativer Ideen. Bei denjenigen, die positiv auf das Alter eingestellt wurden, verdoppelte sich dagegen die Anzahl innovativer Ideen. 400 % Leistungsunterschied! Dieses sogenannte positive Priming funktioniert übrigens nicht nur in der Arbeitswelt, sondern beeinflusst unser Denken in allen Lebenslage.

Allgemein herrscht die Ansicht, alte Menschen seien weniger flexibel, spießig, öfter krank, gar senil – treffen denn diese Attribute nicht zu?
Sven Voelpel: Das kommt unter anderem darauf an, welches Selbstbild man von sich hat und welche Einstellung zum Altern. Wer sich alt fühlt, läuft Gefahr, sich selbst zu beschränken und seine Lebenswirklichkeit dem anzupassen, was er als altersgemäß betrachtet. Das lässt uns zweifeln: «Kann ich das noch?» – «Nein, wohl nicht.» Deshalb ist es gut, sich jung zu fühlen. Denn das macht aktiv und kann uns, wie eine Langzeitstudie ergab, über sieben Jahre länger leben lassen. Hier kommt übrigens das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung zum Tragen: Menschen, die überzeugt vom Funktionieren ihres Gedächtnisses sind, prägen sich Dinge unbewusst besser ein, stellen unnötige Störfaktoren ab und bleiben damit leistungsfähiger. Das heißt also, Alter ist Kopf- und Einstellungssache – die Redewendung, man sei so alt, wie man sich fühle, stimmt also auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen. Hinzu kommt natürlich, dass die verbesserte medizinische Versorgung uns in der Regel später altern lässt: Die heute 60-Jährigen sind weitaus jünger als die vor 100 Jahren.

Sie stellen die These auf, dass wir in verschiedenen Bereichen unterschiedlich alt sein können und das Alter unterschiedliche Facetten hat. Welche sind das?
Sven Voelpel: Auf einem 60. Geburtstag kann man heute mitunter eine Gastgeberin erleben, die glatt als Mitte 40 durchgehen würde, aber auch Gleichaltrige, die in beigem Popeline wie 80 wirken. Das kennen sicherlich viele aus dem eigenen Erleben. Erfahrungen wie diese zeigen: Es gibt nicht mehr «das Alter» als uniforme, in Zahlen messbare letzte Lebensphase, die für alle gleich verläuft. Denn es setzt sich aus einer Vielzahl von Facetten zusammen – aus dem kalendarischen, biologischen, gefühlten und sozialen Alter. Diese Aspekte müssen nicht deckungsgleich sein. In der gemeinsam mit Mercedes-Benz konzipierten Ausstellung «Ey Alter» im Universum Bremen kann das jeder Besucher selbst bei sich testen. So kann jemand, der real 70 Jahre alt ist, sich wie 20 fühlen, weil er frisch verliebt ist, und die Ausdauer eines 50-Jährigen haben, weil er seit Jahren regelmäßig Sport treibt. Hier geht es nicht um einzelne «Vorzeige-Alte», sondern um eine immer größere werdende Gruppe älterer Menschen.

Was genau kann man denn tun, um jung zu bleiben oder glücklich zu altern?
Sven Voelpel: Wie alt wir werden und wie jung wir bleiben, entscheiden wir selber mit unserem Lebensstil sowie unserer Lebenseinstellung: Habe ich Interesse an meinem Umfeld, an Kultur, Sport, Politik? Habe ich gute soziale Beziehungen? Gebe ich auf meinen Körper und meine Ernährung acht? Bin ich neugierig, offen für Unbekanntes? Das sind nur einige der Kriterien. Ich möchte noch einmal auf den Effekt der selbsterfüllenden Prophezeiung zurückkommen, der gleichbedeutend ist mit dem in der Medizin bekannten Placeboeffekt. Der Glaube an die eigene Leistungskraft, auch Selbstwirksamkeit genannt, kann die tatsächliche Produktivität eines Menschen um 30 bis 40 % beflügeln! So verhält es sich auch mit der Fitness und der mentalen Stimmung, die sich durch positive Gedanken verbessern. Wichtig ist auch, dass man den eigenen Motor – ob in der Freizeit oder im Beruf – nicht ab einem bestimmten Alter abrupt abstellt, weil es sich «so gehört in dem Alter», sondern weiterlaufen lässt. In einer Studie maßen Forscher den Blutfluss in der grauen Gehirnsubstanz bei Berufstätigen, körperlich aktiven und weniger aktiven Pensionären. Das Ergebnis: Bei den «echten» Ruheständlern ließ die geistige Leistung Jahr für Jahr nach, während die anderen beiden Untersuchungsgruppen geistig rege blieben.

Prof. Dr. Sven Voelpel

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