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Prof. Dr. Jutta Rump

29. Januar 2018

Familie als strategischer Erfolgsfaktor

Wird das Thema Familienfreundlichkeit in Zukunft ein strategischer Erfolgsfaktor?

Von Zuhause aus arbeiten. Wenn der Partner erkrankt, die Arbeitszeit für einige Monate reduzieren. Ein Lebensarbeitszeitkonto einrichten und mit Mitte 50 ein Jahr Auszeit nehmen. Der moderne Arbeitsmarkt bietet viele Möglichkeiten, die mit der guten, alten 40-Stunden-Woche nichts mehr zu tun haben. Doch was bedeutet dieser strategischer Erfolgsfaktor?

Warum ist es für Unternehmen heutzutage so wichtig, als familienfreundlich wahrgenommen zu werden?

Rump: Dafür gibt es sehr viele Treiber. Es gibt viel mehr Frauen, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren wollen. Einerseits, um das Haushaltseinkommen auf einem guten Niveau zu halten, andererseits, um ihre eigene Berufsbiografie nicht zu stark zu unterbrechen und damit eventuell aus dem Arbeitsmarkt herausgeschüttelt zu werden.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wenn ein Unternehmen gute Mitarbeiterinnen hat und sie langfristig binden will, dann muss es diese Grundsituation bei Frauen auf dem Schirm haben. Wobei Familienfreundlichkeit natürlich auch die Väter mit einschließt. Zweitens: Die demografische Entwicklung hinterlässt deutlich ihre Spuren. Bei einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine ganz große Rolle.

Wer nicht in Balance bleibt, wird auch keine 45 oder 50 Jahre im Beruf schaffen. Und noch ein weiteres Thema kommt auf uns zu. Die meisten von uns werden während ihres Arbeitslebens nicht nur das Thema Kinder, sondern auch das der Pflege zu lösen haben. Das heißt, es kommt noch eine weitere Dimension der Familienfreundlichkeit hinzu.

Welche Rolle spielt das Ringen um gute Mitarbeiter?

Rump: Der Fachkräftemangel ist der dritte wesentliche Faktor. Unternehmen müssen sich zunehmend damit auseinandersetzen, wie attraktiv sie als Arbeitgeber sind und wie sie im Wettbewerb um Fachkräfte die Nase vorn haben. Es geht darum, eine Marke auf dem Arbeitsmarkt zu kreieren. Potenzielle Mitarbeiter erhalten so den Eindruck, nicht nur ein Produktivitätsfaktor zu sein, sondern als Mensch wertgeschätzt zu werden.

Das „Employer Branding”, also die aktive Darstellung als möglichst guter Arbeitgeber, ist gerade ein großer Trend. Gibt es eine neue Werteskala? Ist Familienfreundlichkeit heute wichtiger als ein gutes Gehalt oder ein Dienstwagen?

Rump: Das höre ich immer häufiger, aber es ist einfach falsch. Wir reden nicht über ein Entweder-Oder sondern über ein Sowohl-Als-Auch. Das Gehalt muss absolut angemessen sein in einer Welt, die zunehmend teurer wird. Das macht ja die Herausforderung aus, vor der Unternehmen stehen. Sie müssen beides bieten, ohne dass ihnen die Personalkosten durch die Decke gehen.

Dann schauen wir uns mal die Unternehmerseite an. Wie soll eine Firma vorgehen, die das Thema auf die Agenda nimmt?

Rump: Meine erste Empfehlung: Machen Sie eine Investitionskostenrechnung. Also sehr sachlich an das Thema rangehen. Was ist einem Unternehmen die Sache wert? Was kann es leisten? Und was kann es nicht leisten? Auf der anderen Seite muss stehen: Was wollen die Mitarbeiter? Man kann nicht den Mitarbeitern sagen, dass jeder anfangen kann, wann er will, wenn das den Schichtplan und damit den Produktionsprozess gefährdet.

Aber ein Arbeitgeber kann zeigen, dass er flexibel ist und bereit für Veränderungen. Gerade in mittelständischen Unternehmen kennt man sich ja untereinander und damit auch die persönliche Situation. Da kann man im Mitarbeitergespräch gut ausloten, was beide Seiten sich vorstellen können. Kleine und mittelständische Unternehmen haben den großen Vorteil, dass sie flexible, individuelle Lösungen finden können. Auf der anderen Seite haben sie eine straffe Personaldecke und bestimmte Abläufe, damit am Ende des Tages gemeinsam Geld verdient wird.

Das Thema sollte aber idealerweise in der Chefetage angesiedelt sein?

Rump: Das muss so sein. Das kann nicht in einer Partisanenstrategie abgefrühstückt werden, weil irgendjemand in der Organisation auf die Idee kommt. Wir reden über Markenpolitik, ein absolut strategisches Thema. Das kann nicht irgendjemand im Betrieb machen, sondern es ist eine Aufgabe für das Top-Management.

Es gibt viele Maßnahmen: Lebensarbeitszeitmodelle, flexible Arbeitszeiten, Home Office, Kinderbetreuung. Wie strukturieren Unternehmen ihre Maßnahmen?

Rump: Wer sich dem Thema nähert, sollte das wie bei jedem Prozess strukturiert tun. Man nimmt sich das Angebot derjenigen, die Siegel für arbeitnehmerfreundliche Unternehmen vergeben und nutzt es, um einen Überblick zu bekommen, was mit dem Thema alles verbunden ist. Egal, ob das jetzt die Hertie-Stiftung oder die Bertelsmann-Stiftung ist: Es kommen Auditoren ins Unternehmen, die bestimmte Dinge strukturiert abfragen. Sie erstellen eine Bestands- und eine Bedarfsanalyse und legen die Ergebnisse übereinander. Diese externen Siegelprozesse geben Unternehmern einen Wegweiser, um den Wald vor lauter Bäumen zu sehen.

Sie beschäftigen sich über 20 Jahren mit dem Thema, sind gefragte Expertin für Personalmanagement. Gerade jetzt steckt die Arbeitswelt in einer sehr dynamischen Veränderung. Wagen Sie eine Prognose, wie es weiter geht?

Rump: Vor 23 Jahren habe ich für die Hertie-Stiftung das Audit „Beruf und Familie” mitentwickelt, insbesondere aus Sicht kleiner und mittelständischer Unternehmen. Ich kann mich erinnern, dass wir Ende der 1990er Jahre unsere ersten Betriebe auditiert haben. Damals haben wir mit Mühe in ganz Deutschland acht Betriebe gefunden. Heute braucht man teilweise Säle für Tausende Leute, wenn diese Siegel verliehen werden. Ab etwa 2010 ist das exponentiell gewachsen. Je enger der Arbeitsmarkt wurde, desto mehr hat das Thema an Fahrt aufgenommen. Familienfreundlichkeit ist aus der Ecke „Sozial-Klimbim” herausgekommen und zu einer strategisch-ökonomischen Aufgabe geworden.

Die Bedeutung der Familienfreundlichkeit wird also noch weiter zunehmen.

Rump: Es hat kaum eine Zeit gegeben, in der Wirtschaft einen so massiven Einfluss auf unser Leben und Arbeiten genommen hat. Ich denke, dieser Trend wird weiter zunehmen. Und wenn sie die Digitalisierung und die vierte industrielle Revolution hinzunehmen, dann werden wir zukünftig in ganz anderen Sphären wirtschaften und Geld verdienen.

Selbst aus der Digitalisierung lässt sich das Thema Familienfreundlichkeit ganz stark ableiten und als Treiber identifizieren. Wenn wir alle in einer zunehmend schnellen, komplexen, vernetzten und verdichteten Welt unterwegs sind, haben wir ganz häufig das Gefühl, wir seien Hamster im Rad. Das heißt, wir müssen über Balance nachdenken, also die Vereinbarkeit von Familie und Privatleben – und da gehört das Familienleben natürlich dazu.

Die Familienfreundlichkeit ist ein wesentlicher Faktor, um eine Belegschaft in Balance zu halten. Diese Balance ist bei den Konsequenzen der Digitalisierung jenseits der Technik – also Veränderungsdynamik, Schnelligkeit, Vernetzung, Komplexität, Echtzeit – ein unglaublicher Garant. Noch einmal: Das Thema Familienfreundlichkeit wird ein strategischer Erfolgsfaktor.

Prof. Dr. Jutta Rump

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